Freitag, 15. März 2013

Filmkritik: I Am Love (2009)

Nach drei Kritiken zu den frühen Filmen von Stanley Kubrick heute einmal etwas Aktuelleres: Das 2009 erschienene italienische Drama Io sono l'amore mit Tilda Swinton in der Hauptrolle berichtet über die Ehefrau eines wohlhabenden Mailänder Geschäftsmanns, die sich in einen jungen, träumerischen Koch verliebt.

Emma (Tilda Swinton) und Antonio (Edoardo Gabbriellini)
© ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH
Die Familie Recchi betreibt ein erfolgreiches Textilunternehmen in Mailand. Bei einem opulenten Abendessen eröffnet das gealterte Familienoberhaupt Edoardo (Gabriele Ferzetti) seinen Angehörigen, dass er die Leitung der Firma an seinen Sohn Tancredi (Pippo Delbono) und seinen Enkel Edoardo "Edo" Junior (Flavio Parenti) übertragen will. Bald darauf verstirbt der Patriarch und während Tancredi das Unternehmen gerne verkaufen will, möchte Edo das Erbe des Großvaters nicht einfach aufgeben. Doch auch sein Bruder Gianluca (Mattia Zaccaro), der entgegen des Wunsches seines Großvaters bald auch an den Geschäften der Firma beteiligt ist, ist für einen Verkauf.

Tancredis aus Russland stammende Ehefrau Emma (Tilda Swinton) erfährt unterdessen, dass sich ihre Tochter Elisabetta (Alba Rohrwacher) in eine Frau verliebt hat. Emma freut sich für Betta, aber beide sind sich einig, dass niemand in der Familie davon erfahren darf. Doch dies ist bald nicht mehr das einzige Geheimnis, das Emma für sich behalten muss. Denn eines Tages lernt sie den Koch Antonio (Edoardo Gabbriellini) kennen, der mit Edos Hilfe ein Restaurant eröffnen möchte. Zuerst ist Emma vor allem von Antonios Kochkünsten begeistert, doch bald beginnt sie sich in den jungen Mann zu verlieben, der mit seiner Offenheit und seinem Idealismus ein ganz anderes Leben verspricht, als das der von Gefühlskälte und Oberflächlichkeit geprägten Familie Recchi...

Luca Guadagnino trat erstmals 1999 mit seinem Langfilmdebüt The Protagonists in Erscheinung, in dem auch bereits Tilda Swinton die Hauptrolle spielte. Während der Thriller, der außerhalb Italiens nur auf Filmfestivals zu sehen war, auf Englisch gedreht wurde, musste die in London geborene Swinton zehn Jahre später für I Am Love jedoch tatsächlich Italienisch lernen. Der Film, der in Deutschland auch unter dem Titel Ich bin die Liebe bekannt ist, erhielt international recht positive Kritiken und war sogar für einen Golden Globe als Bester Ausländischer Film und für einen Oscar für das Beste Kostümdesign nominiert.

In seiner Inszenierung ist der Film dabei jedoch ein wenig unzugänglich. Schon bei dem zu Beginn gezeigten Familienfest fallen ungewöhnliche häufige Schnitte, Wechsel von Einstellungsgrößen und Achsensprünge auf, die im starken Gegensatz zu der an diese Stelle eigentlich recht ruhigen Handlung stehen. Wenn Edoardo dann seine Rede hält, ist er die meiste Zeit sogar nur von hinten zu sehen. Vielleicht will der Regisseur hierdurch beim Zuschauer ein gewisses Unwohlsein und auch eine Distanz zum Gezeigten herstellen, was dem Geschehen natürlich auch angemessen ist, denn eine hohe Erwartungshaltung und emotionale Kälte scheinen in dieser Familie vorzuherrschen und auch die wenigsten Familienmitglieder scheinen sich in dieser Szene besonders wohl zu fühlen. Bald hat man sich an diese ungewöhnlichen Stilmittel dann auch gewöhnt und es ist ja generell auch nichts Negatives, sich etwas von filmischen Konventionen zu lösen.

Ansonsten ist der Film nämlich technisch durchaus gelungen, I Am Love ist offensichtlich für die große Leinwand gemacht. Wunderschöne Bilder, teilweise in langen Kamerafahrten eingefangen von Yorick Le Saux, ergänzen sich mit einer prachtvollen Ausstattung und schönen Kostümen. Auch die Darsteller überzeugen durchweg, vor allem natürlich Tilda Swinton, die es schafft, von Anfang an auf recht subtile Art und Weise deutlich zu machen, dass sie trotz alles Reichtums und aller oberflächlicher Freundlichkeit in dieser Familie nicht glücklich werden kann. Aber auch Alba Rohrwacher ist positiv hervorzuheben, vor allem in einer der letzten Einstellungen des Filmes schafft sie es mit Bravour, die innere Zerrissenheit ihrer Figur deutlich zu machen.

Noch scheint die Sonne... Pippo Delbono und Tilda Swinton
© ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH
Aber auf anderen Ebenen kann der Film leider nicht so sehr überzeugen. Stellenweise ist der Symbolismus der Bildsprache doch etwas sehr dick aufgetragen, wenn z.B. das Liebesspiel von Emma und Antonio mit Nahaufnahmen von Blumen und Gräsern montiert wird, um den sowieso schon recht stereotypen Gegensatz zwischen emotionaler Kälte in der Stadt und Liebe und Leidenschaft in der Natur auch noch dem letzten Zuschauer verständlich zu machen. Wenn es bei einer Beerdigung dann auch noch anfängt zu regnen, dann ist man endgültig im Klischee angekommen. Ebenso wie die Inszenierung ist auch das Drehbuch ein zweischneidiges Schwert. So können die natürlich wirkenden Dialoge (und auch der erfrischend häufige Verzicht auf eben jene) leider nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte auch aus einer Seifenoper stammen könnte.

Insgesamt erzählt I Am Love eine relativ gewöhnliche Geschichte auf ungewöhnliche Weise und ist dadurch ein interessanter Film geworden, der vor allem für Freunde des Italienischen Kinos oder Fans von Tilda Swinton einen Blick wert sein dürfte. Besonders die Darsteller und Kameramann Yorick Le Saux wissen zu überzeugen, während Inszenierung und Drehbuch leider nicht ohne Schwächen sind.