Dienstag, 11. Dezember 2012

Filmkritik: Rat mal, wer zum Essen kommt (1967)

Mitte der 60er Jahre, als in den Südstaaten der USA noch Rassentrennung herrschte, war Rassismus im liberalen Großbürgertum New Yorks schon lange kein Thema mehr... oder? Stanley Kramers unterhaltsamer Blick hinter die Fassade der Toleranz kam heute vor 45 Jahren in die amerikanischen Kinos.

(c) Sony Pictures Home Entertainment
Joanna (Katharine Houghton) ist überglücklich: Sie hat auf einer Hawaii-Reise den Mann ihrer Träume kennen gelernt: Dr. John Prentice (Sydney Poitier) ist gutaussehend, gebildet, charismatisch, engagiert und wohlhabend; der perfekte Schwiegersohn. Die Verlobung lässt nicht lange auf sich warten, doch als Joanna den zukünftigen Ehemann ihren Eltern vorstellt, sind diese nicht gerade begeistert. Denn auch wenn sie natürlich gegen jegliche Diskriminierung sind, haben sich Christina (Katharine Hepburn) und Matt Drayton (Spencer Tracy) den zukünftigen Mann ihrer Tochter doch irgendwie... weißer vorgestellt. Als Joanna dann auch noch spontan Johns Eltern zum Abendessen einlädt, sind Konflikte vorprogrammiert...

Auch wenn Stanley Kramers Spielfilm als ein Plädoyer gegen den Rassismus bezeichnet werden kann, erwartet den Zuschauer hier kein schwergewichtiges Drama, sondern trotz einiger ernster Momente eher ein leichtfüßiger Unterhaltungsfilm. Dieser punktet vor allem mit seiner Besetzung: Denn bis in die Nebenrollen gibt es hier nur großartige Schauspieler zu bewundern, allen voran natürlich Katharine Hepburn und Spencer Tracy als Elternpaar. Lediglich Katharine Houghton als Joanna bleibt ein wenig blass und nervt sogar gelegentlich mit ihrer Naivität, weshalb man sich manchmal fragt, was John eigentlich an ihr findet.

Neben den Darstellern glänzt Rat mal, wer zum Essen kommt vor allem mit seinen pointierten Dialogen, die einen immer wieder zum Schmunzeln bringen und zurecht mit dem Oscar ausgezeichnet wurden. Auch die Charakterisierungen der einzelnen Figuren sind sehr gelungen und teilweise unerwartet: So ist die farbige Angestellte der Familie die rassistischste Figur von allen, während ein befreundeter katholischer Priester die Eltern dazu auffordert, Toleranz nicht nur zu fordern, sondern auch zu leben.

Rat mal, wer zum Essen kommt ist deutlich ein Produkt seiner Zeit: So ist der Konflikt zwischen Vorurteilen und Toleranz auch ein Konflikt zwischen den Generationen: Denn während die Eltern der beiden Verlobten ihre Vorbehalte haben, sehen Joannas Freunde gar kein Problem und auch Joanna selbst kommt bis zur Aussprache überhaupt nicht der Gedanke, dass ihre Eltern irgendetwas gegen die Hochzeit haben könnten.
Auch die zur Zeit der Dreharbeiten in vollem Gange befindliche Bürgerrechtsbewegung wird thematisiert, so fragt die Hausangestellte an einer Stelle genervt, ob denn Martin Luther King auch noch aufkreuzen würde. Noch während der Film in den amerikanischen Kinos lief, wurde der schwarze Bürgerrechtler ermordet, weshalb die Szene herausgeschnitten und erst bei späteren Veröffentlichungen wieder hinzugefügt wurde. Ein weiterer Dialog, bei dem der Film von der Geschichte überholt wurde, blieb jedoch bestehen: Die Aussage von Johns Vater, dass diese Ehe in 16 oder 17 Staaten verboten sei, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon nicht mehr aktuell: Der Oberste Gerichtshof hatte die rassistische Gesetzgebung für nicht verfassungsgemäß erklärt.

Wir wären natürlich nicht in Hollywood, wenn die ganze Geschichte nicht kontinuierlich auf ein Happy End zusteuern würde. So wird das titelgebende Abendessen auch nicht zu einem Eklat à la Der Gott des Gemetzels, sondern endet versöhnlich. Die schließende Abschlussrede von Spencer Tracy ist durchaus bewegend. Wenn man bedenkt, dass der Schauspieler zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank war und somit jeder am Set wusste, dass dies die letzten Worte sein würden, die er vor laufender Kamera spricht, bekommt sie auch noch zusätzliches Gewicht. Zum Glück verzichtet Kramer hier auf kitschige Musik, weshalb der Monolog trotz seiner an eine Agatha-Christie-Verfilmung erinnernden Theaterhaftigkeit funktioniert – nicht zuletzt natürlich auch wieder durch die großartigen schauspielerischen Leistungen.

Insgesamt ist Rat mal, wer zum Essen kommt zu oberflächlich, um als ernstzunehmende Abrechnung mit dem Rassismus zu funktionieren. Dennoch handelt es sich um gelungenes Mainstream-Kino, das vor allem durch seine hervorragenden Schauspieler und Dialoge auch fast ein halbes Jahrhundert später noch ausgezeichnet unterhält.