Mittwoch, 24. Oktober 2012

Filmkritik: Die Schachspielerin (2009)

Kevin Kline wird heute 65 Jahre alt. Der in Saint Louis geborene Schauspieler ist vor allem bekannt aus Filmen wie Ein Fisch namens Wanda (1988), Wild Wild West (1999) und Freundschaft Plus (2011). Zu seinem Ehrentag möchte ich jedoch einen eher unbekannten Film vorstellen, in dem der Oscar-Preisträger eine wichtige Nebenrolle spielt: Das französische Drama Die Schachspielerin aus dem Jahr 2009.

Kevin Kline (2009)
Die mit ihrer Familie auf Korsika lebende Hélène (Sandrine Bonnaire) arbeitet als Reinigungskraft. Als sie eines Tages bei der Arbeit im Hotel ein wohlhabendes, verliebtes amerikanisches Pärchen beim Schachspiel beobachtet, ist ihre Neugierde geweckt und sie schenkt ihrem Mann einen Schachcomputer, um gemeinsam mit ihm zu spielen. Dieser zeigt jedoch wenig Interesse und so beginnt Hélène bald, sich selbst das Spiel beizubringen. Kurz darauf kann sie sogar einen ihrer Kunden, den zurückgezogen lebenden Witwer Dr. Kröger (Kevin Kline), davon überzeugen, ihr dabei zu helfen, eine gute Schachspielerin zu werden. Das Spiel wird beinahe zu einer Sucht für Hélène und sie beginnt, sowohl ihre Familie als auch die Arbeit zu vernachlässigen, was natürlich zu Konflikten führt. Dann schlägt Kröger sogar vor, dass sich Hélène zu einem Turnier anmelden sollte...

Caroline Botarros Film aus dem Jahre 2009 basiert auf dem gleichnamigen Roman der französischen Autorin Bertina Henrichs, der vier Jahre zuvor erschien. Der Plot entspricht eigentlich dem eines typischen Sportfilms: Ein(e) Außenseiter(in) beginnt sich für einen Sport zu begeistern und findet einen zuerst widerspenstigen Mentor, der ihn oder sie für einen großen Wettkampf trainiert der am Ende des Filmes stattfindet und aus dem die Hauptfigur entweder siegreich hervorgeht oder sich zumindest überraschend gut schlägt. Dennoch ist Die Schachspielerin ein wenig mehr als eine auf das Schachbrett verlagerte Rocky-Kopie, denn der Film lässt sich auch auf einer zweiten Ebene lesen. Unter dem Motto „Die Dame ist die stärkste Figur im Spiel“ erzählt Botarro von einer Frau, die sich mit Hilfe des Schachspiels aus ihrer von ihrer Umgebung zugeschriebenen Rolle emanzipiert.

Zu Beginn ist Hélène mit typischen weiblichen Rollenklischees besetzt: Nicht nur ist sie Hausfrau und Mutter sondern arbeitet zudem ausgerechnet als Reinigungskraft. Weder ihr Mann, noch ihre Tochter, noch ihre Arbeitgeberin zollen ihr Anerkennung in irgendeiner Form, selbst für Kröger ist sie erst nur „die Putzfrau“, an deren Namen er sich nicht erinnern kann. Als sie dann im Hotel das junge Paar beobachtet, das alles zu verkörpern scheint, was die Protagonistin nicht hat (Romanze, Erfolg, Selbstverwirklichung), erhofft sich Hélène, diesem Traum durch das Schachspielen näher zu kommen. Das bedeutet aber, dass sie sich in der Männerdomäne des Schachspiels behaupten muss und dass sie lernen muss, sich gegen die Männer durchzusetzen, die sie nicht ernst nehmen wollen: Ihren Mann, Dr. Kröger und den Ausrichter des Turniers. Als sie dies schafft, wird ihr auch die erwünschte Anerkennung zuteil: So beginnt ihre Familie sie zu unterstützen und ihre Tochter sagt ihr anscheinend zum ersten Mal, dass sie stolz auf ihre Mutter sei. Das ist der eigentliche Sieg der Protagonistin, ob sie am Ende auch das Turnier gewinnen wird oder nicht, ist sekundär.

Die schauspielerischen Leistungen in Die Schachspielerin sind durchweg gut; Sandrine Bonnaire und Kevin Kline geben ihren Figuren viel Tiefe. Das Niveau von Klines Französischkenntnissen lässt sich in der deutschen Synchronisation aber natürlich nicht feststellen. In dieser wird er übrigens ausnahmsweise nicht von Arne Elsholtz gesprochen, sondern von Reinhard Brock, was aber nicht weiter stört. Positiv hervorzuheben ist auch die Filmmusik von Nicola Piovani, der vor allem durch seine mit einem Oscar ausgezeichneten Arbeit an Das Leben ist schön bekannt wurde.

Insgesamt ist Die Schachspielerin trotz allem kein besonders herausragender Film, dafür ist die Story einfach zu vorhersehbar, aber durch die guten Leistungen der Darsteller und den leichten feministischen Touch der Story unterhält er insgesamt doch ziemlich gut und ist zudem ein weiterer Beleg dafür, dass Kevin Kline auch in ernsten Rollen zu überzeugen weiß.

Urheberin des Fotos ist Chrisa Hickey. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported (CC BY 3.0).