Sonntag, 15. September 2013

Filmkritik: Badlands – Zerschossene Träume (1973)

Ein kriminelles Paar auf der Flucht vor der Polizei. Was nach spektakulärer Genre-Kost klingt wird unter der Regie von Terrence Malick (The Tree of Life) zu einem zumindest auf den ersten Blick eher ernüchternden Filmerlebnis.

Martin Sheen (2008)
Fort Dupree, South Dakota, Ende der 50er Jahre: Der 25-jährige Müllmann Kit (Martin Sheen) lernt eines Nachmittags die 15-jährige Schülerin Holly (Sissy Spacek) kennen. Schnell fühlen sich die beiden zueinander hingezogen, doch Hollys Vater (Warren Oates) lässt sich nicht davon überzeugen, einer Beziehung zwischen dem ungleichen Pärchen zuzustimmen. Als Kit schließlich versucht, mit Holly durchzubrennen, setzt ihr Vater alles daran, dies zu verhindern. Es kommt zu einer Konfrontation an deren Ende Hollys Vater von Kit erschossen wird. Das Paar muss fliehen und versucht, durch ein auf Schallplatte aufgezeichnetes Geständnis die Behörden davon zu überzeugen, dass sie Selbstmord begangen haben. Doch die Polizei ist ihnen schnell auf den Fersen und bald kommt es zu weiteren Morden – eine Spirale der Gewalt, aus der es kein Entfliehen zu geben scheint...

Die Geschichte eines jungen Pärchens, das auf die schiefe Bahn gerät und von der Polizei durchs ganze Land gejagt wird, wurde inzwischen schon häufig im Kino erzählt. Seinen Anfang hatte diese Mischung aus Roadmovie, Romanze und Gangster-Film Ende der 60er Jahre mit Bonnie und Clyde (1967), der zudem als einer der Auslöser der New-Hollywood-Bewegung gilt. Sechs Jahre später verfilmt Terrence Malick mit Badlands einen ähnlichen Stoff: Sein Film basiert auf der wahren Geschichte von Charles Starkweather und Caril Ann Fugate, die Ende der 50er Jahre auf der Flucht vor der Polizei eine Reihe von Morden begingen.

Sissy Spacek (2011)
Doch Malicks Inszenierung macht diesen Film zu einem nicht besonders zugänglichen Werk. Die große Distanz zu den Charakteren macht eine Identifikation mit ihnen ausgesprochen schwierig: Es ist weder nachzuvollziehen, warum Kit selbst in Momenten mordet, in denen dies nicht notwendig wäre, noch wird wirklich klar, warum Holly weiter bei ihm bleibt. Auf die von ihnen ausgeübte Gewalt reagieren beide ausgesprochen emotionslos, was für den Zuschauer nur schwer nachzuvollziehen ist. Die gezeigten Gewalttaten werden weder romantisiert noch verurteilt, weder mit zynischem Humor noch mit großer Dramatik erzählt, stattdessen vermittelt der Film seine Handlung genauso beiläufig, distanziert und nüchtern, wie die Protagonisten ihre Morde begehen. Im Kontrast zu dieser dokumentarischen Erzählhaltung bedient sich Badlands jedoch stellenweise auch einer durchaus poetischen Form der Inszenierung. Malicks Faible für ästhetische Naturbilder und häufiges Voice-Over, das er in The Tree of Life (2011) schließlich auf die Spitze trieb, findet sich auch bereits in diesem Debütfilm wieder, jedoch ohne sich jemals so sehr in den Vordergrund zu drängen, wie dies dem Spätwerk des Regisseurs oft vorgeworfen wird.

Zur Zeit der Veröffentlichung von Badlands bezeichnete der Filmkritiker Vincent Canby Kit und Holly als „the self-absorbed, cruel, possibly psychotic children of our time“. Diese Interpretation des Films als einen gesellschaftskritischen Kommentar über die Jugend der frühen 70er Jahre ist aber natürlich nur eine mögliche Erklärung für den ungewöhnlichen Stil dieses Werkes. Vielleicht ist Badlands auch einfach einer jener Filme, die man zur Zeit ihrer Entstehung gesehen haben muss, um sie wirklich wertschätzen zu können. So konnten mich zwar die guten schauspielerischen Leistungen, schönen Bilder und die stellenweise recht geniale Musikuntermalung durchaus beeindrucken, insgesamt ist der Funke aber nicht so ganz übergesprungen. Doch gesehen haben sollte man diesen Film auf jeden Fall und sei es nur, um ein Stück Filmgeschichte kennenzulernen, ohne das moderne Vertreter dieses Subgenres wie Wild at Heart (1990), True Romance (1993) und Natural Born Killers (1994) wohl niemals entstanden wären.

Badlands ist ein ästhetisch gefilmtes aber eher ruhig und nüchtern erzähltes Serienmörder-Roadmovie, das weitgehend weder etablierten Genre-Konventionen noch modernen Sehgewohnheiten entspricht. Wer aber gerade solche Filme interessant findet oder ein einflussreiches Stück Filmgeschichte sehen möchte, dem sei dieses Werk dennoch wärmstens ans Herz gelegt.


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Urheber des Fotos von Martin Sheen ist Brian McGuirk. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0).
Urheberin des Fotos von Sissy Spacek ist Angela George. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).