Freitag, 22. März 2013

Werkschau: Die Filme von Stanley Kubrick (Teil 1)

Stanley Kubrick gilt als einer der wichtigsten Filmemacher aller Zeiten. Viele Regisseure betonen den großen Einfluss, den Kubricks Filme auf ihr eigenes Schaffen hatten, unter ihnen Größen wie Martin Scorsese, Stephen Spielberg und Christopher Nolan. Kubrick legte sich nie auf ein bestimmtes Genre fest, in seinem Lebenswerk finden sich Vertreter der Gattungen Drama, Thriller, Krimi, Kriegsfilm, Science-Fiction, Komödie, Historienfilm und Horror. Nachdem ich schon Kritiken zu einzelnen Filmen veröffentlicht habe, möchte ich nun einen Überblick über das Gesamtwerk dieses außergewöhnlichen Regisseurs geben. Heute in Teil 1 geht es um die frühen Filme Kubricks von 1956 bis 1963.


Die Rechnung ging nicht auf (1956)

Nach drei Dokumentarfilmen und zwei eher wenig erfolgreichen Spielfilmen war The Killing der erste Film, mit dem Kubrick einem größeren Publikum bekannt wurde. In ihm stellt der gerade erst aus dem Gefängnis entlassene Johnny Clay (Sterling Hayden) ein Team zusammen, um eine Pferderennbahn zu überfallen. Möglich wird dies vor allem durch die Einbeziehung des auf der Bahn arbeitenden George Peatty (Elisha Cook), der jedoch, wie die meisten anderen Mitglieder der Gruppe, keinerlei Erfahrung in kriminellen Aktivitäten hat...

Die Rechnung ging nicht auf besticht vor allem durch seine ungewöhnliche Erzählweise. So erfährt der Zuschauer zunächst nichts genaues darüber, wie der Überfall genau gelingen soll, stattdessen wird die Motivation der einzelnen Mitglieder des Teams deutlich gemacht. Der Coup selbst wird dann mehrmals hintereinander aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, doch bis zur letzten Wiederholung immer kurz vor dem Ende abgebrochen, so dass es bis zuletzt spannend bleibt, ob der Überfall gelingen wird oder nicht. Auch positiv hervorzuheben sind die Darsteller und die ausgezeichnete Kameraarbeit. Dennoch ist die Story insgesamt recht typisch für das Genre des Film Noir und die Figuren auch eher eindimensional entworfen. Kubricks inszenatorisches Talent ist hier jedoch bereits deutlich zu erkennen.


Wege zum Ruhm (1957)

Kirk Douglas als Colonel Dax
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Der erste Weltkrieg. Die Front zwischen Frankreich und Deutschland hat sich verhärtet, seit Jahren schon finden erbitterte Kämpfe in den Schützengräben statt. General Mireau (George Macready) beschließt aus Karrieregründen, einen Angriff auf die naheliegende Anhöhe Ant Hill zu befehlen, obwohl er weiß, dass dieser Angriff hohe Verluste bedeuten würde. Colonel Dax (Kirk Douglas) weigert sich zuerst, seine Truppen in den sicheren Tod zu führen, doch als Mireau droht, ihn zu suspendieren, gibt Dax nach. Der Angriff schlägt fehl und Mireau beschließt, an den Soldaten ein Exempel zu statuieren...

Im Gegensatz zu anderen Filmen Kubricks sind die Grenzen zwischen Gut und Böse in diesem Film relativ deutlich gezogen. Mireau bleibt bis zum Schluss des Filmes ein kühl berechnender Fiesling, während Kirk Douglas (wie so oft) den idealistischen Helden verkörpert. Dennoch ist Paths of Glory ein gelungener Film. Dies liegt zum einen an der beeindruckenden Inszenierung: Die langen Kamerafahrten durch das Tunnelsystem und bei der Schlacht haben eine starke Sogwirkung, ein Stilmittel, das zu einem Markenzeichen von Kubrick werden sollte. Auch die Schauspieler sind ausgezeichnet, bis auf Timothy Carey, der in seiner Darstellung des Soldaten Ferol leider ein wenig zum Overacting neigt.


Spartacus (1960)

Der Sklave Spartacus (Kirk Douglas) wird an einen Ausbilder für Gladiatoren (Peter Ustinov) verkauft und zettelt aus Liebe zu der Sklavin Varinia (Jean Simmons) einen Aufstand an. Die Gruppe beschließt, alle Sklaven in ganz Italien zu befreien. Die Machthaber in Rom versuchen alles, um dies zu verhindern, doch die Mitglieder des Senats sind auch untereinander zerstritten...

Spartacus ist der einzige Film Kubricks, bei dem der Regisseur nicht am Drehbuch beteiligt war. Denn ursprünglich sollte noch Anthony Mann Regie führen, der sich jedoch mit Kirk Douglas zerstritt. Das Ergebnis ist ein Film, der ziemlich untypisch für Kubrick ist, aber dennoch einen gelungenen, bildgewaltigen Sandalenfilm mit tollen Schauspielern abgibt. Vor allem Peter Ustinov und der in einer weiteren Nebenrolle auftretende Charles Laughton sind grandios.
➡ Filmkritik zu Spartacus (1960)


Lolita (1962)

Humbert Humbert (James Mason) sucht Quilty (Peter Sellers) in seinem Landhaus auf und erschießt ihn. Den Grund für diesen Mord erzählt der Film in einer langen Rückblende: Humbert ist vernarrt in Lolita (Sue Lyon), die jugendliche Tochter seiner Vermieterin Charlotte (Shelley Winters). Immer stärker werden Humberts Gefühle, bis er sogar beschließt, Charlotte zu heiraten, nur um der Tochter nahe sein zu können. Doch da entdeckt Charlotte eines Tages Humberts Tagebuch...

Vor allem die erste Szene dieser Verfilmung des berühmt-berüchtigten Romans von Vladimir Nabokov ist sehr beeindruckend. Wie der völlig betrunkene Quilty bis zuletzt nicht realisiert, in welcher Gefahr er sich befindet, während der aufgewühlte Humbert versucht, der Situation ein kleines bisschen Würde zu verleihen, ist wirklich grandios. Leider erreicht der Film nie wieder die Spannung dieser ersten Minuten, doch vor allem durch die guten Schauspieler ist Lolita dennoch ein sehenswerter Film.
➡ Filmkritik zu Lolita (1962)


Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964)

Peter Sellers als Dr. Seltsam
© Sony Pictures Home Entertainment
Während des Kalten Krieges kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall: Der General Jack D. Ripper (Sterling Hayden) verliert den Verstand und beschließt, einen Notfallplan in Gang zu setzen, der es ihm erlaubt, seinen Bomberpiloten den sofortigen Angriff auf die Sowjetunion zu befehlen. Präsident Muffley (Peter Sellers) versucht die Situation durch einen Anruf beim russischen Premierminister zu entschärfen, doch muss er erfahren, dass, wenn auch nur eine Bombe fällt, automatisch eine nicht deaktivierbare Weltuntergangsmaschine ausgelöst wird. Hilfe erhofft sich Muffley von dem deutschstämmigen Atomwissenschaftler Dr. Seltsam (Peter Sellers)...

Diese gelungene Farce auf die Idiotie des atomaren Wettrüstens war ursprünglich als Drama geplant, doch Kubrick bemerkte schnell das komische Potenzial, das dieser Geschichte zugrunde liegt. Für die komischen Dialoge war der Schriftsteller Terry Southern zuständig, doch es wurde auch viel improvisiert, vor allem von Peter Sellers, der hier in einer Dreifachrolle brilliert (neben den genannten Figuren verkörpert er noch einen englischen Captain, der vergeblich versucht, Ripper zur Vernunft zu bringen). Auch George C. Scott überzeugt als ein einfältiger General, der bis zuletzt von der militärischen Potenz(!) seiner Bomberflotte begeistert ist.
➡ Filmkritik zu Dr. Seltsam (1964)


Schon diese Filme hätten wohl ausgereicht, um Stanley Kubrick als einen ungewöhnlichen und talentierten Regisseur in die Filmgeschichte eingehen zu lassen, doch seine beiden Meisterwerke sollten erst noch kommen. Freut euch schon auf den zweiten Teil meiner Werkschau zu den Filmen von Stanley Kubrick!